Abschließende Überlegungen

Wie in der Einleitung ausgeführt, erleben wir gerade eine soziale, ökologische und ökonomische Krise, die es erforderlich macht, die Art und Weise, wie unsere Ernährungssysteme organisiert sind, fundamental zu ändern. Der Klimawandel macht dies zu einer absoluten Notwendigkeit und gibt der ganzen Angelegenheit eine gewisse Dringlichkeit. Das bedeutet, dass wir die vier Dimensionen der Agrarökologie gemeinsam angehen müssen. Die Aufteilung in unterschiedliche Dimensionen hilft uns, das Potenzial der Agrarökologie deutlicher zu erkennen, aber nichtsdestotrotz ist die Disziplin als Ganzes, als ganzheitlicher Ansatz zu sehen. Viele Bauern- und Kleinbauerngruppen betonen den umfassenden Charakter der Agrarökologie als eine Lebensweise, als etwas Sinnstiftendes. Für sie geht es nicht allein um eine Erwerbsquelle und ein nachhaltiges Agrarökosystem, sondern um ein Leben in Einklang mit der Natur und den Mitmenschen. Die potenziellen Auswirkungen der Agrarökologie beschränken sich auch nicht notwendigerweise auf eine einzige Dimension.

Leider ist diese mangelnde Klarheit von manchen für eine Schwächung des Konzeptes der Agrarökologie genutzt worden: „Mit einem Mal ist Agrarökologie überall groß in Mode, bei den sozialen Basisbewegungen bis hin zur FAO, bei Regierungen, Universitäten und Unternehmen. Aber nicht alle haben dieselbe Vorstellung von Agrarökologie im Kopf. Während die etablierten Institutionen und Unternehmen Agrarökologie jahrelang an den Rand gedrängt und belächelt haben, versuchen sie das Konzept jetzt zu vereinnahmen. Sie picken sich das heraus, was ihnen von Nutzen ist – die technische Seite – und gebrauchen es für Feinabstimmungen an der industriellen Landwirtschaft, während sie weiter dem Modell der Monokulturen und der Vorherrschaft des Kapitals und der Unternehmen innerhalb der Machtstrukturen anhängen“.[1] Dieses Dokument ist unser Versuch, klarzustellen, was Agrarökologie wirklich bedeutet und wie sie aussieht, sowie aufzuzeigen, dass Agrarökologie und die zugrundliegenden Prinzipien zusammengenommen enorm positive Auswirkungen auf die Menschenrechte und das Recht auf Nahrung haben können. Gleichzeitig ist Agrarökologie ein Beitrag, um die Hauptursachen der Probleme zu bekämpfen, denen unsere Gesellschaften derzeit gegenüberstehen, aber auch eine Herausforderung für die bestehenden Machtverhältnisse. Darum ist uns Agrarökologie als Bewegung so wichtig.

Wir sind uns sehr wohl darüber bewusst, dass letzten Endes viele sich ergänzende politische Aktivitäten, ein Übergangsprozess und ein Paradigmenwechsel nötig sind, damit Agrarökologie gelingen und die Prinzipien in ihrer Gänze und schrittweise umgesetzt werden können. Wir sind uns auch bewusst, dass die oben aufgeführten Prinzipien möglicherweise erst in der Entwicklung begriffen sind, einer Überarbeitung bedürfen, vielleicht noch nicht perfekt ausformuliert sind oder nicht zu 100 % mit dem übereinstimmen mögen, wie sich Agrarökologie in der Praxis darstellt. Trotzdem sehen wir dies als ersten Schritt in einem weitergehenden Prozess, der zu einer Aktualisierung und weiteren Klärung der aktuellen Liste von Prinzipien führen wird, die wir zusammengestellt haben.

Die nächsten Schritte umfassen unter anderem die Erstellung eines „Praktischen Leitfadens für die Umsetzung der Prinzipien“, den wir idealerweise als Grundlage für die Aufnahme eines Dialogs zwischen unseren Organisationen nutzen würden (über Lobby-Strategien und ‑Programme und zur Wahrung einer gemeinsamen Stoßrichtung), aber auch innerhalb der weiteren agrarökologischen Bewegung. Deshalb handelt es sich hierbei um ein dynamisches Dokument und um eine Einladung zum Dialog darüber, was Agrarökologie bedeutet und wie sie aussieht.

Prof. Michel Pimbert, Coventry University (UK)